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Burnout-Link-Tipps — #3

Dritte Lieferung der (fast) täglichen kulturellen Link-Bonbons, die mir Freude machen und Kraft spenden und die ich seit meinem Burnout-Zwischenfall mit ›meinen Leuten‹ in einer kleinen Privatmitteilungs-Gruppe bei Twitter teile.


Sonntag, 25. Nov.: Die Youtube-Essays von habe ich in den letzten Wochen entdeckt. So ziemlich alles, was ich seitdem von ihm geguckt habe, lohnt sich. Dieser Zweiteiler über das ›Œvre‹ von Michael Bay stellt für mich eine große Herausforderung dar (im Guten!). Immerhin ist es für Leute mir mehr als drei im Schädel herumkullernden Hirnkrümeln quasi ein Ding der Unmöglichkeit, Bays Werke gut zu finden, selbst wenn man seine nicht zu leugnenden handwerklichen Qualitäten als Rambazamba-Meister anerkennen kann. Willams hat es aber durch seine Deutung dieser Filme geschafft, mir ein Quäntchen mehr Respekt für Michael ›Little Fincher‹ Bay einzuflößen. Abgesehen davon finde ich Bays aus der Reihe fallendes SF-Vehikel »The Island« immer noch sehr fein, und auf eine perverse Art begeistert mich sein jüngster Transformers-Flick »The Last Knight«, sowie seine verstörend entzückende Gebrüder Coen-Homage auf Amphetaminen‹ »Pain & Gain«.


Montag, 26. Nov.: Auf den heutigen Link-Tipp bin ich vorgestern von aufmerksam gemacht worden. (Jupp, ich wage es langsam wieder, mich im offenen Twitter herumzutreiben, z.B. indem ich mich traue, ab und zu in meine offene Twitter-Liste ›Arkadische Guerilla—GEFILDE‹ zu gucken).

Ich weiß nicht genau, seit wann mich Gebärdensprache fasziniert, womöglich seit ich z.B. »Gottes vergessene Kinder« (1986) gesehen habe. »Das stille Kind« (OmU) von Chris Overton hat dieses Jahr den Oscar für ›Best Short Film (Life Action)‹ gewonnen und ist noch bis 21. Februar 2019 bei Arte online zu sehen.

The Silent Child


Dienstag, 27. Nov.: Ich hab »NSA — Nationales Sicherheits-Amt«, als es frisch in den Läden lag, nach ca. 30 Minuten wieder zugeklappt und mir nix groß dabei gedacht, außer, dass Andreas Eschbach in meinen Augen seit je an allen vier Zeilen von Robert Gernhardts ›Lyrik-Qualitäts-Check‹-Gedicht scheitert.

(Zur Erinnerung:
»Gut gefühlt.
Gut gefügt.
Gut gedacht.
Gut gemacht«.
)

hat in seinem Blog »54books« die krassesten Verfehlungen (des Autors Eschbachs, seiner Probeleser, Lektoren, und schließlich der Kritiker*), die zu sowas wie diesen Nazi-Uchronie-Porno führen, benannt: »Nazi-Kitsch, Internetkritik und sexuelle Gewalt oder warum dieser Roman einen Skandal auslösen müsste« . Es hat mich ungemein beruhigt, dass ›meine‹ Experten bei SF-Netzwerk den Roman überwiegend langweilig und enttäuschend fanden.
*Denis Scheck hat NSA empfohlen! Macht mich jetzt noch fassungslos.


Mittwoch, 28. Nov.: Nach all dem ›heavy stuff‹ den ich letzter Zeit hier verbreitet hab, ist es Zeit für eine Runde kuriosen Spaß mit dem stets großartigen ›Movie Bob‹ Chipmann und seiner atemlosen Übersichts über Handlung & Entstehung des ersten echten Marvel-Multi-Crossover-Flick, den es in den 80ern fast gegeben hätte.


Donnerstag, 29. Nov.: Heutiger Tipp des Tages ist wieder heftig, aber um’s ›etwas‹ lockerer zu machen, lass ich euch an einem meiner typischen Internet-Trips teilhaben.
Also, bei mir babbeln derzeit nebenbei die Audiokommentare von »Game of Thrones«, in diesem Fall von Staffel 2 (aus der glorreichen Stadtbücherei Ffm entliehen), und erfahre beim Plausch von Ian Cunnngham (Davos Seaworth) & Carice van Houten (Melisandre, und ich war beeindruckt von ihrer Rolle in Paul Verhoevens »The Black Book«), dass die beiden sich schon von einem Dreh in Südafrika kennen.

Ich so: »HÄ?«

Recherchier also und finde den Film »Black Butterflies« (2012), der gute Kritiken, Preise und alles hat, inkl. einer großen Nebenrolle von Rudger ›Schauspiel-Gott‹ Hauer!!!

»Warum hab ich noch nie von dem Film gehört?«, denk ich mir.

Warum gehts? Leben und Sterben (empörend tragisch! Zwangseinweisung in Klapse durch Herrn Papa, Elektroschick-Therapie, Selbstmord) der südafrikanischen Dichterin Ingrid Jonker, (1933–1965), die zu Lebzeiten nur zwei schmale Lyrik-Bände veröffentlichen konnte.
Und wodurch wurde dann Ingrid Jonker zur Zeit meiner Generation weltberühmt?
Nelson Mandela hat seine erste »Rede zur Lage der Nation« als frischgewählter Präsident von Süd-Afrika am 24. Mai 1994 mit einer großen Verbeugung vor Jonker eröffnet, unter anderem mit einem langem Zitat aus ihrem bekanntesten Protest-Gedichtes »Die Kind« (1960)  (nicht verwirrt sein! Jonker schrieb ihre Gedichte auf Afrikaans und da heißt es nun mal ›die Kind‹ statt ›das Kind‹). Auf der wundervollen niederländischen Website »Muurgedichten« kann man das ganze Gedicht in verschiedenen Sprachen — auch auf Deutsch — finden.

Beim weitern Rumlesen zu den »Black Butterflies«-Darsteller*innen bin ich auf eine frühe Rolle von van Houten gestoßen: »Die geheimnisvolle Minusch«, den ich schon seit ewig mal sichten will und mir später heut Abend zur Erholung gönnen werde. — Nachtrag: der Film ist doll! Bietet alles, was man sich von einem guten, frechen, herzigen, phantastischen Kinderfilm erwarten sollte.

Burnout-Link-Tipps — #2

Zweite Lieferung der (fast) täglichen kulturellen Link-Bonbons, die mir Freude machen und Kraft spenden und die ich seit meinem Burnout-Zwischenfall mit ›meinen Leuten‹ in einer kleinen Privatmitteilungs-Gruppe bei Twitter teile.


Donnerstag, 15. Nov.: Ich bin zwar noch nicht durch mit »Kanaillen-Kapitalismus — Eine literarische Reise durch die Geschichte der freien Marktwirtschaft« von César Rendueles, aber ich traue mich jetzt schon verkünden: ein sehr lesenswertes, kluges, emphatisches und kurzweilig-zugänglich geschriebenes Buch.

Im zweiten Kapitel — zur Heraufkunft des Lohnarbeitsmarktes in der ›heroischen Phase‹ des industriellen Kapitalismus — findet sich das Gedicht »Beschreibung der Lüge« von Antonio Gamoneda, eigentlich ein Text über Depression, das aber eben auch sehr gut die Ausgepumptheit von jemanden in Worte fasst, der als Lohnsklave in einem unbefriedigenden Job vor sich hin darbt.

Kanaillien_Kapitlasmus


Freitag, 16. Nov.: Der heutige Link-Tipp beschäftigt sich mit einem der besten Filme, die ich je gesehen habe: »Mad Max: Fury Road«. Der kluge Medien- & Gesellschafts-Kritiker hat einen hinreissend klar argumentierenden, achtteiligen Video-Essay zu dem Film gestaltet. Auch wenn man vielleicht zwischendurch glauben mag, dass er — trotz einer Fülle kluger Einzelbeobachtungen — beim großen Bogen nie wirklich zu Potte kommt, rate ich dazu: bleibt am Ball! Es ist geradezu spektakulär, wo er am Ende ankommt. Erlebe ich selten, dass jemand einen Film so gut belegt zu lesen, und seine Interpretation auch plausibel auszudrücken vermag. Viel Spaß!

Nicht ganz uneitel meine Empfehlung, weil ich mir irr schlau vorkam, dass außer mir noch jemand anders ‘ne ganze Reihe wichtige Details bei »Fury Road« bemerkt hat, z.B. die beiden Taschen (eine mit Todes-Samen, eine mit Wachstums-Samen), der Gegensatz von vertikal & horizontal organisierter Macht, wie viel Charakter-Beschreibung in die ersten Kameraeinstellungen bei der Vorstellung der drei wichtigsten Figuren des Filmes eingebettet ist, u.v.m..


Samstag, 17. Nov.: Der heutige Tipp ist wieder einfach: »The Ballad of Buster Scruggs«, eine Western-Anthologie der Gebrüder Coen bei Netflix. Es gibt ja viel zu wenige Anthologie-Filme! Der hier hat alles, was man sich vom Western-Genre wünschen kann, und noch einiges darüber hinaus, worauf man nie gekommen wäre. Für mich womöglich ein neuer Top-5-Coen-Brüder-Film, aber definitiv einer ihrer besseren Streifen, wenn man es eben abwechslungsreich mag. Es gibt sechs Geschichten, die jeweils ein eigenes Western-SubGenre wiederaufleben lassen. — Die Episode mit Tom Waits als Goldgräber wirkt auf mich wie eine innige Studio-Ghibli-Homage. Unfassbar schön, aber auch ein wenig traurig, weil dabei großer GCI-Aufwand betrieben wurde, um unberührte Natur glorios zu inszenieren.

BTW: Meine bisherigen Top-5-Gebrüder-Coen-Filme? Hmmmm … chronologische Reihenfolge, ohne Wertung:
• »Barton Fink«
• »The Big Lebowski«
»O Brother, Where Art Thou?«
»A Serious Man«
»True Grit«


Sonntag, 18. Nov.: Bin zum Frühstück über diesen Vortrag von Drehbuchautor & Regisseur Charlie Kaufmann gestolpert. Wer mich halbwegs kennt, weiß, dass ich alle Kaufmann-Filme sehr verehre (»Being John Malkovich«, »Human Nature«, »Adaption«, »Confessions of a Dangerous Mind«, »Eternal Sunshine of the Spotless Mind«, »Synecdoche, New York«, »Anomalisa«). Neben David Lynch (der allerdings eine komplett andere Vibe bedient) ist er vielleicht der markanteste Vertreter einer Art von Phantastik, die mir persönlich sehr am Herzen liegt: traumgleich, fernab davon gewohnte Genre-Formeln zu befolgen, surreal, desweiteren unglaublich verletzlich, bescheiden & sensibel und dabei saukomisch, sowie sehr mutig dabei dem Publikum zuzutrauen mitzudenken/fühlen. Und :Kaufmanns Filme immer sehr verkopft und dialoglastig.


Montag, 19. Nov.: Heutiger Tipp: »Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789-1795« von Emma Adler, erschienen 1906. Nicht falsch verstehen! Nicht alles was ich empfehle, habe ich auch zur Gänze verköstigt. Seit jeher sind Tipps von mir auch eine Art Gedächtnisstütze. Zurück zu Emma Adler: natürlich bin ich …

  1. … prinzipiell angefixt, wenn es um Geschichten über die Französische Revolution aus ›Froschperspektive‹ geht; zudem
  2. freut mich als bekennender & auch ein wenig eitel-stolzer, sich selbst auf die Schulter klopfender SJW, speziell ein Werk über die Frauen der FranzRev gefunden zu haben, welches noch dazu
  3. in einer feinen Sprache geschrieben ist. Allen, die sich, im welchem Zusammenhang auch immer, schreibend auszudrücken trachten, rate ich seit jeher, möglichst querbeet zu lesen und nicht in einem kleinen Winkel der eigenen Geschmacksbratpfanne zu brutzeln. Und ältere Werke sind da ein wesentlicher und überwiegend erquicklicher Quell der Inspiration.
  4. Dann für mich ein kleiner Schock, dass ich erst jetzt über Emma Adler stolpere, die es soweit ich bisher einschätzen kann, verdient hätte, mehr zu sein, als ›die schreibende Gattin SPÖ-Gründer Victor Adler‹.

Dienstag, 20. Nov.: Fast hätt ich den heutigen Link-Tipp vergessen. Der kam per Post in Form einer Naturalien-Zahlung von einem meiner Netflix-Untermieter: »Deconstructing the Incal« von Christophe Quillien, Jean Annestay sowie mit Beiträgen der  ursprünglichen ›Incal‹-Comics-Schöpfer Alejandro Jodorowsky, Mœbius, Jenjetov und Ladrönn. Ursprünglich als »Les Mysteries de L’Incal« 2016 bei ›Humanoids et Associes‹ in Frankreich erschienen, gibt es diesen wunderschönen Band (mit Lesebändchen!!!) seit 2017 auch auf Englisch beim amerikanischen Schwesterverlag ›Hummanoids‹. Auf den 117 Seiten findet sich:

  1. Inside The Incal: The Revelation of the Books (The Incal; Before The Incal; After The Incal; Final Incal)
  2. Behind The Incal: Creators & Origins (Alejandro Jodorowsky; Mœbius; Zoran Janjetov; Yves Chaland; Ladrönn; Alejandro Jodorowsky’s Dune; The Creative Process; Improvisation; Collaboration; Frustration; Design; Re-Coloring; Dialogue; The Forgotten Page; Novel)
  3. The Black Incal vs. The Luminous Incal: Characters & Creatures (John Difool; Luz de Garra; Deepo; The Metabaron; Animah & Tanatah; Solune; Kill Wolfhead; Arhats; Barbariah; Protofather; Orh; Raïmo; Kaimann; Snailhead; Gorgo the Foul; Kolbo-5; Bergs; The Eyecop; Archangels; Elohim; The Psychorats; Anarchists; The Necrodroid; The President’s Hunchbacks; The Cardioclaw; Diacaloo; The Supra-Divinoid; Cybo-cops; The Supreme Highness; The Darkness; Gounas; The Benthacodon)
  4. Across The Incal: Timeless Worlds & Infinite Ephemera (Galaxies; The City-Shaft; Suicide Alley; The Acid Lake; Conapt; The Crimson Ring; Center Earth; The Great Nuptial Games; The Starship; Vhisky, SPV, and Horror-Whores; Amorine; Halo; Cocaloco)
  5. Beneath The Incal: Themes & Influences (The Tarot; Alchemy; Metamorphoses; Esotericism; Duplication; The Subconscious; Initiation; Genealogy; Patricide; Tintin; Dream; Truth; Friendship; The Big Secret; Social Organization; War; Revolution; Crime Fiction; Reality TV; Science Fiction)

Deconstructing the Incal


Mittwoch, 21. Nov.: Über das Musik-Projekt »Elif’n Hecesi« bin ich schon vor einiger Zeit gestolpert (wurde mir in youtube-Empfehlungen gespült). Dort hat man sich vorgenommen ›die Echos der Vergangenheit zu bewahren‹, dabei ist es den Musikern herzlich Wurscht, von wo … ob türkische, iranische, kurdische, bulgarische Musik, jeder ist willkommen. Im Hintergrund hört man manchmal das ferne Rumsen von Mörsern. Hier geht’s zur Video-Übersicht auf ihrem youtube-Kanal.

Ein wenig schwer, auf Deutsch oder Englisch mehr zu ›Elif’n Hecesi‹ (zur Patreon-Seite des Projekts) herauszubekommen, weil die Info-Texte größtenteils auf Türkisch sind und z.B. ›Google translate‹ veranschaulicht, dass frei verfügbare Übersetzungungs-Algorithmen noch weit davon entfernt sind, menschlichen Übersetzern eine Konkurrenz zu sein.

Hier das erste Video, über das gestolpert bin (sei die Katze!):